„Der Mensch ist frei geboren und liegt doch überall in Ketten“(Jean‑Jacques Rousseau).
Also „anything goes“ („alles geht”) ohne Ketten?
Da sitzt nun eine Muslima im Burkini, von oben bis unten in Schwarz, im flachen Wasser eines öffentlichen Schwimmbades. Im Hintergrund plantschen ein paar „Ungläubige“ in üblichen Badeanzügen freudvoll im Wasser. Diese traurige Bild hat die Qualität einer Karikatur. Man müsste eigentlich über die arme Frau lachen.
Doch nein! Ernsthafte Begründungen für diese Pinguinverkleidung versuchen Verständnis zu erwecken. Der Burkini erlaube der Muslima am öffentlichen Leben teilzuhaben. Es sei also keine religiöse Frage, sondern dahinter stehe ein Partizipationsproblem, eine zivilintegrative Frage. Der Burkini müsse historisch eingeordnet werden und könne durchaus auch bei 42 Grad auf einer freien Entscheidung beruhen.
Solche scheinintellektuellen Begründungen erfreuen wen auch immer. Man kann selbige aber durchaus auch in einen Kulturrelativismus einordnen, für den es nach Wertvorstellungen fortgeschrittener Zivilisationen und Kulturen nur scheinrationale Erklärungen gibt: In Afrika wird die Unterlippe in der Fläche vergrößert, Männer schmücken und verlängern ihren Penis mit hübschen Bambusrohren, Geishas bandagierten ihre Füße, um sie klein zu halten, einige Völker verzehrten die Gehirne ihrer Nachbarn, um deren Kraft in sich aufzunehmen, Schweinefleisch ist tabu, Allah ist ein Mann mit Bart.
Es gibt neben einer Fülle weiterer kultureller Motive auch gefährlichere Verirrungen. „Ungläubige“ dürfen mit religiöser Weihe vernichtet werden. Massenmörder fühlen sich nicht schuldig, weil ihnen verständnisvolle Begründungen frei Haus geliefert werden. Den RAF‑Mördern wurde zunächst ein Gruppencharakter zugebilligt, und man brachte diesen „hochsensiblen“ Verbrechern Verständnis entgegen. Walter Ulbricht „schützte seinen besseren deutschen sozialistischen Staat“ mit einer Mauer. Oppositionelle werden aus „guten“ Gründen gefoltert und getötet.
Bei diesen Begründungen für Tod und Verderben bleibt die Karikatur einer badenden Muslima nur unbegründbarer Quatsch, der an Badebekleidung aus dem frühen 20. Jahrhundert erinnert, aber auch an eine uns fremde, bedrohliche Kultur. Der Muslima und uns Phobisten ist zu wünschen, dass Staunen, gesteigerte Aufmerksamkeit und auch Lachen nicht in negative Emotionen umschlagen.